Beitrag zur „Sicherheitsdebatte“ im Frankenberger Viertel
Am 13.08.2016 druckte die Aachener Zeitung einen offenen Brief eines Lesers an den Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU). Der Verfasser dieses Textes, offenbar Anwohner des Frankenberger Viertels, beschwerte sich über die Zustände in seinem Viertel. Dabei zeichnete er ein Bild von einem Gefahrengebiet. Randalierende Gruppen von Jugendlichen, omnipräsenter Drogenhandel und weitere absurde Behauptungen konstruierte er zum Normalzustand und forderte erhöhte Präsenz von Cops und Ordnungsamt um dem Ganzen in guter alter „Law and Order“-Manier den Riegel vorzuschieben.
Die Stadt sah sich im Anschluss daran in Zugzwang: Patrouillen des Ordnungsamtes wurden mit Cops verstärkt, konsequent wurden Personen, die sich im Park aufhielten, kontrolliert und durchsucht. Als eine Gruppe ihren berechtigten Unmut über diese Kontrollen äußerte, reagierten die Behörden mit Einsatz von Pfefferspray gegen die Besucher*innen des Parks. Die einzige Konsequenz die aus diesen Vorfällen gezogen wurde: Verstärkung der Patrouillen, Verschärfung der Kontrollen. Soweit so scheiße. Während des Winters fand kaum ein Diskurs um die Zustände des Viertels statt.
Doch mit den ersten Sonnenstrahlen melden sich die ersten Stimmen zu Wort, die sich an bereits genannten Leserbrief anschließen. Ungeachtet dessen, dass es sich beim Frankenberger Viertel um eines der teuersten, grünsten und sichersten Viertel Aachens handelt, wird der Ruf nach mehr Sicherheit lauter. Diese soll natürlich durch die Polizei gewährleistet werden, die im Zweifel zur Herstellung des Burgfriedens durchaus auch mal härter anpacken soll. Dass die behördliche Präsenz im Viertel für viele Menschen eine Gefahr darstellt, bleibt völlig unbeachtet.
Der Aachener Hauptbahnhof als grenznaher Verkehrsknotenpunkt beispielsweise ist seit langem Schauplatz einer verbotenen Polizeipraxis: racial profiling. Regelmäßig werden Menschen, die nicht ins stereotype Bild des Biodeutschen passen ohne jegliche Anhaltspunkte kontrolliert und durchsucht. Mit der Errichtung der Bundespolizeiwache und der damit verbundenen erhöhten Präsenz der Cops am Hauptbahnhof haben sich diese Zustände drastisch verschl immert.
Eine weitere Gruppe von Betroffenen polizeilicher Repression sind Wohnungslose. Mit dem Bau des „Aquis Plaza“, einer prestigeträchtigen Shoppingmall am Aachener Kaiserplatz, ging die Stadt in die Offensive. Der Kaiserplatz galt als Anlaufpunkt für Menschen mit Suchterkrankung. Dort ansässige soziale Einrichtungen unterstützten die Menschen, die den Support in Anspruch nahmen. Doch mit dem Beginn des Baus begann der Prozess der Verdrängung. Menschen wurden systematisch in Randbezirke der Stadt „umgesiedelt“ frei nach dem Motto: „aus dem Auge, aus dem Sinn“. Auch im Frankenberger Viertel nahmen diese Verdrängungsmechanismen durch die erhöhte behördliche Präsenz zu.
Sicherheit durch Repression lautet die Devise. Und das Konzept scheint aufzugehen. Nachdem in den vergangenen Wochen im Viertel Neonazis mehrmals offen Präsenz zeigten, Personen einschüchterten und zu attackieren versuchten, reagierte die Polizei überzog die Polizei lediglich die Menschen mit Repressalien, die sich ihnen in den Weg stellten . Für uns bedeutet dies vor allem, dass ein Schutz gegen Nazis in erster Linie eines sein muss: selbstorganisiert.
Sicherheitsdebatten zu führen, bedeutet auch über Sicherheit für gesellschaftlich marginalisierte Personen und Gruppen zu sprechen. Da Neonazis eine Bedrohung für eine Vielzahl ebendieser Gruppen ausmachen, bedeutet eine Sicherheitsdebatte ebenfalls einen Diskurs um den Umgang mit Nazipräsenz zu führen.
Diese Umstände wurden allerdings bis dato von der Lokalpresse mit Bagatellisierungen à la „Personengruppen gehen mit Schlägen und Tritten aufeinander los“ heruntergespielt und entpolitisiert. Der traurige Höhepunkt dieser Zustände wurde erreicht, als die Cops am Donnerstag 16.03 zwei Antifaschist*innen nach einer Auseinandersetzung mit Neonazis festnahmen und am nächsten Tag auf Drängen der Staatsanwaltschaft für beide Untersuchungshaft verhängten.
Diesen Konflikt als eine gewöhnliche Auseinandersetzung zu betrachten, wird nicht nur der Sache nicht gerecht, sondern verkennt gänzlich die Problematik: den bewussten Versuch von Neonazis Einfluss im Viertel zu nehmen. Wir wollen nicht, dass Cops ein sicheres Viertel via Repression herstellen, sondern einen solidarischen Diskurs zwischen allen Parknutzer*innen, sodass alle den Park nutzen können.
Für eine sichere Stadt für alle, ohne das Konstrukt vom „starken Staat“! Freiheit für die inhaftierten Antifaschist*innen!
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